Elevated Lines -
Hochbahnen in New York

 

Nicht die originale Hochbahn, aber ihr ähnlich:

Viele Strecken der New York Subway wurden außerhalb Manhattans - wie hier bei Queensboro Plaza - oberirdisch angelegt.

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Warum Hochbahnen?

Die Stadt New York erlebte ab Ende des 18. Jahrhunderts einen gewaltigen Bevölkerungszuwachs. Waren es 1790 bei der ersten Volkszählung noch 33.000 Einwohner, so erreichte diese Zahl mit etwa 313 000 im Jahre 1840 innerhalb von 50 Jahren den fast zehnfachen Wert. Um 1870 wurde die Millionengrenze überschritten, gleichzeitig fand eine flächenmäßige Expansion statt. New York, dessen Stadtgebiet sich ursprünglich auf die Südspitze Manhattans beschränkte, breitete sich weit nach Norden aus; die natürlichen Grenzen des Hudson im Westen und des East River im Osten unterstützten diese Entwicklung. Im Jahre 1811 wurde der vom Ingenieur Randell entwickelte Bebauungsplan beschlossen, der die Insel Manhattan ab der Houston Street bis zum Harlem River mit einem gleichmäßigen Straßenraster überzog. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Avenues, von Ost nach West mit Zahlen versehen, werden hierbei etwa alle 80 m von den Streets gekreuzt, die wiederum von Süd nach Nord durchnumeriert sind. Die 155th Street, die letzte, bevor das strenge Raster verlassen wird, läßt die Größe dieser Ausdehnung erahnen...

Ab 1832 verkehrte, als erste in der Welt, die Pferdebahn in New York. In kurzer Zeit entstand ein dichtes Netz von Linien entlang der Avenues. Hierfür erwies sich die durch den Randell-Plan geschaffene klare Infrastruktur als weitsichtig. Mit der Zunahme der Besiedlung und Erschließung der Gebiete im Norden machten sich jedoch die größeren Entfernungen bemerkbar. Die Pferdebahn, vor der Einführung des elektrischen Betriebes (nach 1879) zwischenzeitlich mit Kabelantrieb versehen, erwies sich als immer weniger geeignetes Mittel für die gewaltigen Verkehrsströme. Zudem setzten vermehrt Behinderungen durch den Fuhrwerksverkehr ein, der ja den gleichen Straßenraum wie die Pferdebahn benutzte.

In London, wo seit 1863 die Metropolitan Railway ihre Eisenbahnstrecke unterirdisch von Paddington Station bis Farringdon verlängert hatte, wurde auf dem zweigleisigen Tunnelabschnitt eine Art verdichteter Vorortverkehr durchgeführt. Begünstigt durch die geringen Stationsabstände, war dieser im Gemeinschaftsbetrieb mit den Fernzügen jedoch nur mit hohen sicherungstechnischen Anforderungen zu realisieren. Der Aufwand hierfür, zugleich mit den schon hohen Tunnelbaukosten, ließ den profitablen Betrieb neuer Strecken in dieser Form illusorisch erscheinen. Zudem war ein Ausbaustandard, wie er für die Vollbahnen gefordert wurde, für den innerstädtischen Verkehr wegen der geringeren Geschwindigkeiten nicht notwendig.

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Hochbahnszene in Manhattan Ende des 19. Jahrhunderts. Diese historische Darstellung befindet sich im New York Transit Museum.

In New York, wie auch in anderen Städten, wandte man sich aufgrund dieser Erfahrungen einem neuen Gedanken zu: der Schaffung eigener, sowohl von der herkömmlichen Eisenbahn, als auch vom Straßenverkehr unabhängiger Verkehrssysteme. Da der Verkehrstunnelbau zu dieser Zeit noch in seinen Anfängen steckte, kostspielig und zeitaufwendig war, schied die Variante des Baues unterirdischer Strecken zur Behebung des akuten Verkehrsproblems aus. Stattdessen entstand die Idee der städtischen Kleinbahnen. Wie auf dem Lande, so ermöglichten auch hier die vereinfachten Bestimmungen für die Herstellung und den Betrieb solcher Bahnen eine kurzfristige Realisierung der Planungen. Man wählte die Ausführung einer zweigleisigen aufgeständerten Viaduktbahn ("Elevated Railway"), deren Verlauf dem Straßenraster folgte. Hierfür bewährte sich wieder einmal die großzügige Planung von Randell. Durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes erübrigten sich kostspielige Grundstücksankäufe. Die Herstellung der Stahlviadukte erfolgte nach einheitlichem Schema mit genormten Elementen. Dies, und die vereinfachte Ausführung - die Gleise z.B. wurden ohne Bettung direkt auf den Viaduktträgern verlegt - verringerten die Baukosten im Vergleich zu der bereits erwähnten Untergrundbahnstrecke in London auf ein Achtel pro Kilometer. Die Stationen waren in einem Abstand von etwa 800 m vorgesehen. Für den Betrieb genügten kleine zweiachsige Tenderlokomotiven, die, jeweils mit 4-5 Wagen behängt, dicht aufeinander folgten. Etwa 70 Jahre lang sollten so - wenn man von der Elektrifizierung der Strecken einmal absieht - die Hochbahnen das Stadtbild New Yorks prägen.

Die Hochbahnstrecken in Manhattan

Als Vorläufer der Hochbahnen in Manhattan nahm am 14. Februar 1870 eine auf Viadukten geführte Kabelbahn den Verkehr auf. Die eingleisige Strecke zwischen Dey Street und West 30th Street wurde von drei zusammengekuppelten Personenzugwagen im Pendelbetrieb befahren. Der Kabelantrieb bewährte sich jedoch nicht, später erfolgte der Einsatz von Dampflokomotiven.

1872 bis 1878 entstanden die vier, Manhattan in seiner gesamten Länge durchziehenden Hochbahnstrecken entlang der Second, Third, Sixth und Ninth Avenue, letztere unter Einbeziehung der Strecke von 1870. Alle Linien hatten ihren Ausgangspunkt in South Ferry an der Südpitze der Insel.

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South Ferry war zu jener Zeit der bedeutendste Fähranlegeplatz mit Verbindungen nach Brooklyn, Staten Island und New Jersey. Da hier mit dem größten Verkehrsaufkommen zu rechnen war, wurde der Bahnhof entsprechend großzügig dimensioniert. Beide, aus östlicher und westlicher Richtung auf South Ferry zulaufenden Strecken schwenkten nach Süden ein, um am jeweils eigenen Bahnsteig zu enden. Eine Gleisverbindung ermöglichte weiterhin den direkten Übergang zwischen beiden Strecken unter Umgehung des Bahnhofes. In Richtung Osten verlief die Trasse ab South Ferry durch die Front Street, am Coenties’ Slip in einer scharfen S-Kurve in die Pearl Street wechselnd, und erreichte Chatham Square. Benutzten die Linien der Second und der Third Avenue bis dahin den gleichen Weg, so trennten sie sich hier. Während die Third Avenue Line dem Verlauf der Bowery folgte, bog die Second Avenue Line in die Division Street ein. Zusammen mit einer von City Hall kommenden Stichstrecke entstand am Chatham Square ein Kreuzungspunkt, der durch Anschlußkurven vielfältige Kombinationen der Linienführung bot.

Von der Division Street setzte die Second Avenue Line ihre Route durch die Lower East Side entlang der First Avenue fort. In Höhe der 23rd Street ging die Trasse auf die Second Avenue über und führte geradlinig bis zur 129th Street. Die Third Avenue Line bog von der Bowery am Copper Square in die Third Avenue ein und erreichte ebenfalls an der 129th Street ihr Ziel. Später wurden die Endpunkte beider Linien nördlich der 129th Street durch eine Querspange vereinigt und der Verkehr in die Bronx ausgedehnt (in diesem Zusammenhang wurde auch eine eingleisige Verbindung zur Harlem River Station der New York, New Haven & Hartford Railroad angelegt, zeitweise erfolgte hier der Betrieb aber in Eigenregie der Eisenbahngesellschaft). Das Fährterminal an der East 34th Street, in späteren Jahren auch die Grand Central Station an der 42nd Street, erhielten durch kurze Zweigstrecken der Third Avenue Line Anschluß an die Hochbahn.

Die South Ferry in westlicher Richtung verlassenden Sixth und Ninth Avenue Lines benutzten ebenfalls am Anfang eine gemeinsame Trasse, verzweigten sich jedoch schon nach der Umfahrung des Battery Park in die Strecke entlang der Trinity Place - Church Street einerseits sowie der Greenwich Street andererseits. In den dichten Vierteln am Lower Broadway und Greenwich Village schlängelte sich die Sixth Avenue Line durch die Murray Street, West Broadway und West 3rd Street zur Sixth Avenue bis hinauf zur Südseite des Central Park. Den fast geradlinig verlaufenden Straßenzug Greenwich Street -Ninth Avenue überspannten die Hochbahnviadukte der Ninth Avenue Line auf 12,5 km Länge von Battery Place bis zur 110th Street. Nach einem Schwenk zur Eighth Avenue setzten sie sich bis zur 155th Street fort. Hier, an der Grenze des Randell’schen Bebauungsplanes, war der nördlichste Punkt des New Yorker Hochbahnnetzes vor der Erweiterung in die Bronx erreicht. Im Zuge der 53rd Street entstand zusätzlich eine Verbindungsstrecke zwischen der Sixth und der Ninth Avenue Line.

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Spurensuche: An der Ecke Ninth Avenue/ 110th Street in Manhattan verraten noch heute die zurückgesetzten Häuserfluchten die ehemalige Streckenführung der Ninth Avenue Line, die hier in einer S-Kurve zur Eighth Avenue hinüberwechselte.

Die Strecken wurden zweigleisig angelegt, die Viadukte in ihrer Breite jedoch so bemessen, daß ein drei- oder viergleisiger Ausbau ohne Probleme möglich wäre. Dies sollte sich zu späterer Zeit von Vorteil erweisen. Betreiber aller vier Linien war eine einzige Gesellschaft, die Manhattan Railways Company.

Während des Dampfbetriebes fanden kurze Züge aus vierachsigen Waggons mit hölzernen Wagenkästen Verwendung, die Dank ihrer Drehgestelle in der Lage waren, die teils recht engen Kurven zu befahren. Für die ersten 25 Jahre sollten nun die kleinen fauchenden Lokomotiven mit den großen Wagen am Haken zum Symbol des neuen Verkehrsmittels werden. Im Laufe der Zeit machte sich aber immer mehr Unmut unter der Bevölkerung breit, die den Belästigungen durch die Maschinen - es qualmte, es stank und war zudem noch ziemlich laut - ein Ende bereiten wollten.

Eine Alternative mußte her!

Als Werner von Siemens (1816-1892) auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879 die Brauchbarkeit des elektromotorischen Prinzips für die Eisenbahn bewiesen hatte, fand auch in Amerika diese neue Antriebsart rasche Verbreitung. Elektrische Straßenbahnen ersetzten die Pferde- und Dampfbahnen und boten eine völlig neue Qualität hinsichtlich Sauberkeit und Geschwindigkeit. Der für die Hochbahn relevante Einsatz elektrischer Triebzüge scheiterte jedoch noch an der Unlösbarkeit, die Steuerung der Motore mehrerer Wagen gleichzeitig handhaben zu können. Ein junger Ingenieur, Frank Sprague (1857-1934), der sich bereits bei der Einführung der elektrischen Straßenbahnen verdient gemacht hatte, entwickelte die sogenannte Mehrfachsteuerung, die es ermöglichte, alle Triebwagen eines Zuges von einem Führerstand aus synchron zu fahren. Nachdem 1897 diesbezügliche Versuche in Chicago positiv verlaufen sind, stand der Elektrifizierung der New Yorker Hochbahn nichts mehr im Wege. Im Jahre 1900 fiel die Entscheidung, die Second Avenue Line zu elektrifizieren. Knapp drei Jahre später war die Umstellung aller vier Hochbahnstrecken in Manhattan auf elektrischen Betrieb abgeschlossen.

Die Hochbahnstrecken in Brooklyn

Auch in Brooklyn, das in Nachbarschaft zur Metropole New York einen rasanten Aufschwung nahm, entwickelten sich die Verkehrsbedürfnisse schneller als die bestehenden Systeme - Pferdebahn und Pferdeomnibus - verkraften konnten. So nahmen in rascher Folge, nachdem am 24. September 1883 die erste, mit Dampf betriebene Hochbahnstrecke eröffnet wurde, mehrere Linien ihren Betrieb auf. Sie führten von den außerhalb gelegenen Stadtteilen in die zwei sich herausbildenden Zentren Brooklyns; zum einen in den historischen Kern bei der Borough Hall, dem Rathaus, zum anderen nach Williamsburg, das bis zur Eingemeindung im Jahre 1854 als selbständige Stadt im Kings County bestand. Beide Gebiete gewannen zusätzliche Bedeutung durch die Fährverbindungen nach Manhattan, folglich lagen die Endpunkte der Hochbahnstrecken in unmittelbarer Nähe der Anlegestellen. Im Unterschied zu Manhattan, wo die stählernen Viadukte die gesamte Insel durchzogen, begnügte man sich in Brooklyn mit der Hochlegung in den dichter bebauten Gebieten, ansonsten verkehrten die Bahnen im Straßenniveau. Während der um die Jahrhundertwende erfolgten Elektrifizierung ergab sich daraus die Notwendigkeit, im ebenerdigen Bereich statt der Stromschienen auf herkömmliche Oberleitungen zurückzugreifen. Ebenfalls nur in Brooklyn bezog man vorhandene Vorortstrecken der Eisenbahn in das Netz mit ein. Aus diesem Grunde erhielten die Wagen Trittstufen für die niedrigeren Bahnsteige.

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Eigentümer der Strecken war seit 1896 die Brooklyn Railway Transit Corporation (BRT), ein Zusammenschluß verschiedener, bis dahin unabhängiger Verkehrsunternehmen. Das Rückgrat des Netzes bildeten drei Stammlinien, wovon zwei, die Fulton Street Line (von East New York) sowie die Myrtle Avenue Line (aus Rigdewood), die Bahnhöfe Fulton Street bzw. Sands Street bei Borough Hall anliefen, und die dritte nach Williamsburg zum Broadway Ferry Terminal fuhr. Letztere, die Broadway Line, erschloß zu einem großen Teil die neuen Wohnviertel in Bushwick. Bei Eastern Parkway entstand ein bedeutender Bahnknotenpunkt; hier trafen die Linien aus Canarsie und Cypress Hills mit der Broadway Line zusammen.

Die in Coney Island beginnenden Strecken der West End und der Culver Line vereinigten sich in Höhe der 36th Street mit einer von der 65th Street (3rd Avenue) kommenden Zweigstrecke, folgten der 5th Avenue und mündeten bei Ashland Place in die Myrtle Avenue Line. Die Strecke von Brighton Beach hingegen nahm ihren Weg über Flatbush zur Fulton Street Line. Zwischen der Myrtle Avenue Line und der Broadway Line existierte eine Verbindungsstrecke durch die Lexington Avenue; Überbleibsel der allerersten Linie von Brooklyn Bridge zum Broadway. Sie verlief in einem nördlichen Bogen um das Zentrum von Brooklyn herum, wurde aber bereits 1904 wieder aufgegeben und durch die Trassenführung entlang der Myrtle Avenue ersetzt.

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Im Oktober 1998 wurden die letzten Reste der Hochbahn von Brooklyn bei Franklin Avenue abgebaut

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Brooklyn Bridge: die Hochbahngleise links und rechts des Fußweges mußten zusätzlichen Fahrspuren weichen

Mit der Einführung des elektrischen Betriebes entstand bei der BRT der Wunsch, ihre bisher unterhalb der Brooklyn Bridge in Fulton Street und Sands Street endenden Hochbahnzüge über den East River nach Manhattan fahren zu lassen. Hierfür bot sich die bereits bestehende Trasse der Kabelbahn auf der 1883 fertiggestellten Brücke an. Nach Herstellung der Anschlüsse und Elektrifizierung der über die Brücke führenden Gleise nahm noch im Jahre 1898 die Verlängerung nach Park Row unweit der New York City Hall den Betrieb auf. Somit verließ die BRT erstmals ihr angestammtes Territorium.

  Original Subway - der Weg unter die Erde